Seenotfackeln kaufen – In der Schweiz!?
Welchen Grund mag es geben, in der Schweiz – einem Land ohne Meeresküsten – in einen Yachtbedarfs-Laden zu gehen und eine nach SOLAS zertifizierte Seenotrettungsfackel zu kaufen?
Nach Artikel 58 lit b. der Binnenschifffahrtsverordnung der Schweiz kann man zwar auch auf unseren Binnenseen durch das
Abfeuern rotbrennender Raketen oder Zeigen sonstiger roter Leuchtsignale;
auf eine Notsituation an Bord aufmerksam machen und versuchen auf diese Art und Weise Hilfe zu holen.
Aber kurz mal nachgefragt: Kennen Sie viele Segelnde, die eine entsprechende Seenotfackel an Bord haben?
Trotzdem laufen Seenotfackeln in den Schweizer Yachtläden derzeit anscheinend wie geschnitten Brot.
Der Grund dafür wurde mir vor kurzem in einem Gespräch klar: Jugendliche, grade mal „erwachsene“, Fussballfans und Freitänzer decken sich zumindest hier in Bern gern beim hiesigen Yachtausrüster am Victoriaplatz mit den begehrten Seenotfackeln ein. Ganz legal, wie beide Verkäufer unisono auf meine Rückfrage im Laden vehement beschieden!
Es würden die Personalien aufgenommen und ein Merkblatt verteilt – Damit wäre den Vorschriften Genüge getan.
Dabei sind diese Dinger alles andere als harmlos, schauen Sie sich einfach mal an was da alles drin ist:
(Klick auf das Bild für grössere Darstellung)
Neben den farbgebenden und bei der Verbrennung Sauerstoff freisetzenden Chemikalien wie Strontium- und Barium-Nitrat basiert die hohe Leuchtkraft vor allem auf Magnesium, das beim Verbrennen eine extrem helle Flamme mit Temperaturen über 2000 Grad verursacht. Gezündet wird die Fackel durch einen Schwarzpulver-Cocktail. Seenotfackeln sind deutlich potenter als die sonst bei entsprechenden Anlässen verwendeten „Bengalos“ und lassen sich wie diese im Notfall mit normalen Löschmitteln nicht löschen – Denn die Zusätze in der Fackel produzieren den Sauerstoff für die Verbrennung bei grosser Hitze selbst.
In der Vergangenheit kam es z.B. in Deutschland schon zu Rauchgasverletzungen weil Bengalische Feuer oder Seenotsignale unsachgemäß abgefeuert wurden.
Hinzu kommt, das in der Schweiz zumindest strafrechtlich ein deutlicher Unterschied zwischen dem Zünden eines Bengalischen Feuers oder einer Seenotfackel besteht.
Im Kanton St. Gallen wurden Fussballfans „wegen versuchter Widerhandlung gegen das Sprengstoffgesetz“ zu bedingten Geldstrafen und hohen Verfahrenskosten verurteilt, weil sie Gegenstände in das Stadion schmuggeln wollten, deren Verwendung zu Vergnügungszwecken gemäss Sprengstoffgesetz verboten sei. Klartext: Bereits das Mitführen von Seenotfackeln kann einen Verstoss gegen das Sprengstoffgesetz bedeuten. Das Abfeuern ist sicher ein solcher Verstoss, da Seenotfackeln halt eben nicht zu Vergnügungszwecken hergestellt werden. Bei „normalen“ Bengalischen Feuern sieht die Sachlage anders aus.
Mich hat die sehr marktliberale Haltung unseres Yachtladens etwas geärgert. „Wenn wir es nicht machen, machen es andere“ ist eine Argumentation die zwar vom Standpunkt des Geschäftsbetreibenden nachvollziehbar ist, aber moralisch-ethisch anzuzweifeln ist. Seenotfackeln sind meiner Meinung nach keine Spielzeuge für Fussballfans oder Freitanz-Demonstrierende. Ich kann die Fazination zwar durchaus nachvollziehen, unter der Summe überwiegen aber die Nachteile für alle Seiten. Sei es der giftige Rauch, die heisse Flamme oder schlicht der strafrechtlich anders zu bewertende Rahmen der Nutzung: Wenn es schon Pyro sein muss, sollte die dafür vorgesehene Variante verwendet werden. Aber diese normalen „Bengalos“ werden in Bern ja anscheinend nicht einfach so an das „Zielpublikum“ abgegeben. Wieso klappt das nicht auch -freiwillig- beim Yachtbedarf? Denn ein paar Tage vor der letzten „Tanz-dich-frei“-Demo waren die Seenotfackeln beim o.g. Händler ausverkauft.
Mein Vorschlag:
Koppeln wir den Erwerb von Seenotfackeln an einen Bedarfsnachweis, z.B. in Form eines Schiffsausweises oder eines Führerausweises für Boote. Damit wäre allen Seiten gedient. Auch wenn beim Händler schliesslich ein paar Franken weniger in der Ladenkasse bleiben.
P.S.: Dieser Artikel ist keine Stellungnahme für oder wider Pyros an Demonstrationen oder in Stadien. So wie ich die Gegner akzeptiere, verstehe ich auch die Faszination die von Pyrotechnika auf die meist jugendliche Zielgruppe ausgeht. Mir geht es hier hauptsächlich um den Missbrauch von Seentorettungsfackeln und die daraus resultierenden Gefahren für alle Beteiligten.
„Koppeln wir den Erwerb von Seenotfackeln an einen Bedarfsnachweis, z.B. in Form eines Schiffsausweises oder eines Führerausweises für Boote.“
Nicht das wir uns falsch verstehen, finde Pyros in Fussballstadien auch überflüssig, aber muss ich dann mein Kanu mit zum Einkaufen nehmen? Fürs Kanufahren braucht es keinen Führerschein und wenn ich im Dezember ganz alleine auf unseren Schweizer Seen unterwegs bin, habe ich gerne was dabei um im Notfall auf mich aufmerksam zu machen.
Im Sommer ist das kein Problem, da hat’s eh viel zu viele Motorboote auf unseren Seen, die mich retten könnten. 🙂