Meine Nomade 640. Oder wenn die Gier kopflos macht. Teil 2
Also Gut. Du willst also wirklich wissen, wie es weitergeht.
Das freut mich natürlich 🙂
Irgendwann in der zweiten Aprilhälfte dann kam endlich der ersehnte Bootsausweis.
Erinnerst Du Dich noch an den April?
Das war, als in der Schweiz überall die Forderung laut wurde, die Freibäder doch zu öffnen.
Ein Hammerwetter, so gar nicht wie April sein sollte und ich konnte das erste Mal mit „meinem“ Boot hinaus auf den See gleiten.
Obwohl… Gleiten ist in dem Zusammenhang eher das falsche Wort.
Eine nahezu undurchdringliche, hellblaue Dunstfahne hinter sich herziehend, langsamst auf den See tuckern und spotzen wäre hier wohl eher richtig.
Aber egal: Dem eigenen Boot verzeiht man Vieles.
Hurtig das GPS gezückt und die Spitzengeschwindigkeit gemessen: 8 Kilometer in der Stunde!?
So richtig flott war das wohl eher nicht.
Überhaupt erschienen mir die Manövrierfähigkeiten der Nomade 640 eher etwas träge. Woran konnte das liegen?
Aber dann: 3 BF aus Ost. Optimal also für einen Test unter Tüchern.
Gross rauf und Genua ausgerollt sollte es losgehen.
Stinkmotor aus. Die Segel, ein neues Genua (Freude!) und ein eher betagtes Gross füllten sich mit dem Lebenselement der Luft.
Aber.. Was passierte jetzt?
Egal wie ich trimmte (und ich trimmte immer verzweifelter) mit bis zu 45 Grad Ruderlage Leegierigkeit hatte ich nicht gerechnet!
Das Boot war beim Wenden nicht durch den Wind zu bringen. Immer nur Halsen? Mit angezogener Handbremse segeln?
Da ich ja nun schon auf manchem Boot unterwegs war, glaubte ich zumindest die Grundregeln des Trimms zu können.
Wieder zurück zuhause, dann das erste Grübeln und Nachfragen bei Sailcom-Kollegen.
Mir schwant, ich hätte damals im März doch nicht so überstürzt und vor allem ohne einen Krantermin handeln sollen!?
Aber Ricardo verlangt nach schnellen Entscheiden und wirklich kritisch war ich wohl auch nicht.
Das mit dem Kran sollte nun also nachgeholt werden. Irgendwas musste doch dafür verantwortlich sein, das das Ding nicht segeln wollte…
Bis zum Krantermin hatte ich noch etwas Zeit und so wurde halt auf dem See rum-motort. Weil, Segeln ging ja nicht wirklich.
Da der Motor nun doch auf Dauer etwas feste stank und auf der Strecke bis nach Estavayer-le-Lac 6 Liter Bleifreies Gemisch getrunken hatte, musste ich also auch da noch „Bei“, wie wir bei uns zuhause so sagen.
Immerhin ist die Distanz auf Estavayer le Lac die respektable Strecke von gut 4 Kilometern! Macht 150 Liter Sprit auf 100 Kilometer bei 8 Stundenkilometern! Bei einem 10 Liter Tank kommt man da nicht wirklich weit… Da ist jeder Ami-Schlitten ein Ökomobil gegen.
Die Zündkerzen sahen aus, wie in Teer gebadet. Dabei waren die Neu!
Ein bisschen telefoniert, kam dann die folgende Lösung dabei heraus: Motordeckel auf. Motor laufenlassen und am Vergaser die Einstellschraube für die Spritmenge suchen. Ich hab den Motor dann bei mittlerer Drehzahl laufen lassen und die Stellschraube zugedreht, bis der Motor so eben grade noch rund lief. Seitdem stinkt es deutlich weniger und die Kerzen sind nicht mehr teerig. Mit gut 2-3 Liter pro Stunde Verbrauch kann ich auch leben, bei der alten Maschine.
Dann endlich nahte der Tag des Kranes.
An dem betreffenden Samstag stand vorher noch eine Grundreinigung mit „Freund Kärcher“ auf dem Programm.
Vorher – Nachher im direkten Vergleich
Wau: Der Effekt ist doch mal was. Wie aus Grau ein richtig schönes und ansehnliches Fast-Weiss werden kann.
Dann kamen die Gurte unter das Schiff und der Kran zog an.
Was mich da erwartete ist schlecht in Worte zu fassen, man muss es gesehen haben:
Na, dann noch einen schönen Nachmittag!
Grob geschätzt waren da für mindestens 200 Personen Paella-Muscheln unter dem Schiff. Denn laut Kranwaage wog die Nomade 640 beim späteren Einwassern gut 100 Kilo weniger als beim Auswassern. Wir füllten im Verlauf des Tages zwei Müllsäcke à 50 Liter mit kleinen und grösseren Muscheln und Schwämmen. Das Zeug ist gar nicht so einfach abzukriegen, aber nach gut 5 Stunden war tatsächlich eine neue Schicht Antifouling auf dem Unterwasser und ein Problemtausch vollzogen…
Sieht doch jetzt gar nicht so schlecht aus, oder?
Denkste!
Wenn Du ein wenig was von Booten verstehst, wirst Du beim Anblick dieses Fotos wissen,
welchem Problem ich mich nun gegenüber gesehen habe:
Die Muscheln sind weg, die Osmose bleibt
Osmose! Der gefürchtete Feind einer jeden GFK-Yacht. Der GFK-Krebs.
Ich hätt’s wissen sollen – Ein Motor der so aussieht, wie der, den ich aus dem Wasser gezogen hab‘, verheisst nichts gutes.
Aber egal. Eine Suppe, die man sich einbrockt, wird auch ausgelöffelt!
Bis zum Winter wirds noch halten. Und dann muss ich halt da dran. Hilft nichts.
In Teil 3 wirst Du dann erfahren, wie es gelaufen ist.
BTW: Kennt jemand von Euch einen preiswerten Platz zum Einstellen im Winter?
Wo man auch „ein bisschen“ Staub aufwirbeln darf?
Ach ja:
Aber segeln tut Sie jetzt. Richtig gut sogar.
Die Muscheln haben doch etwas gebremst, aber jetzt macht es richtig Spass.
Sogar der Motor schafft jetzt 13 Kilometer pro Stunde und verbraucht viel weniger.
So langsam wird es doch was.
Den Winter noch mal richtig an’s Werk und vielleicht auch innen das eine oder andere renoviert…
Stay tuned…. Aber der nächste Teil dauert bestimmt noch bis in den Frühling.
Hallo Diethard!
Freut mich, das Dir meine kleine Geschichte gefällt.
Bezüglich der Nomade 640 findest Du auch unter
http://www.sailcom.ch/index.php/de/flotte
einige Infos.
In der Checkliste dort findest Du auch eine Einschätzung zu den Segeleigenschaften:
Die Nomade ist eher ein Leichtwindschiff, mit guten Segeleigenschaften. Ab spätestens 4 BF (Die Sailcom BV’s aus Biel schreiben sogar schon ab 3 BF) denke ich ans Reffen, da aufgrund des doch recht geringen Ballastanteils (140 Kilo), der auch noch (langkielig) maximal 1,20 Meter tief geht, die Nomade gerne mal krängt.
Allerdings kann man mit der Nomade 640 auch ohne Probleme bei 4-5 BF unter Vollzeug an der Windkante entlangschlittern. Muss Deine Frau aber gern haben, sowas 😉
Weil, bei nicht ganz sauber genommenen Winddrehern gibt es dann so ein komisches Gefühl in der Magengegend 😉
Lieber Uwe!
Über den humorvollen Artikel bezüglich der Nomade 640 habe ich mich sehr amüsiert – er ist wirklich gut gelungen. Ich schreibe Dir aus folgendem Grund: Ich segle seit einigen Jahren eine Amiguet Corsair auf dem Walensee bin mit dem Bott auch sehr zufrieden. Nur da die Corsair als Knickspanter schnell auf der Backe liegt fühlt sich mein Frauchen sehr unsicher. Nun hat man mir eine Nomade 640 angeboten, welche sehr gut in Schuß ist (leider keine Muscheln am Unterschiff – die erste Zeit gibt es wohl doch nur Röstis an Bord). Was mich wirklich interessiert sind das Segelverhalten auf den verschiedenen Windkursen (ich brauche wirklich keine Rennziege, sondern ein gemütliches Fahrtenschiff). Ich habe alles abgesucht, aber nirgendwo Tests oder Erfahrungsberichte gefunden.
Kannst Du mir weiterhelfen?
Vielen Dank im voraus!
Diethard Müller