Chartern: Die Charteryacht richtig übernehmen (1). So bekommst Du die Kaution zurück.
Als Charter – Skipper hat man es nicht leicht.
Daheim verbringt man Wochen damit, die schönste Zeit des Jahres zu planen.
Törnpläne wollen vorbereitet werden, Hafenführer und Revierführer werden gekauft und ausgewertet, Packlisten erstellt und noch vieles mehr.
Kaum aus dem Flieger, geht es dann im Ruck-Zuck Verfahren zur Charterbasis und da liegt Sie dann.
Unser neues Zuhause – Für meist nur eine Woche.
Unsere Yacht. Also nichts wie an Bord und fix die Leinen los…
Aber halt: Vor dem Genuss kommt noch das Ritual der Charteryacht – Übernahme, einschliesslich des Stellens der Kaution.
Damit Du, als vom Flug gestresster Skipper, an diesem wichtigen Schritt keine Fehler machst ist, ist eine gut überlegte, gründliche und trotzdem zügige Übernahme wichtig. Eine unstrukturiert angegangene und hastig durchgeführte Übernahme der Yacht kann Dich schnell mal die Kaution kosten.
Die Übernahme einer Yacht wird meist mit dem Vercharterer zusammen und anhand dessen Liste durchgeführt.
Aber: Meist hat der Vercharterer zur gleichen Zeit auch noch andere Boote zu übergeben und so wird eine Übernahme meist recht zügig nach dem System des Vercharterers durchgeführt. Ein ordentlicher Einweiser wird einem das Schiff vom Mast bis zum Kiel relativ schnell und gründlich erklären können.
Das klappt meistens ganz gut, hat aber auch seine Fallstricke.
Besser ist es daher, seine eigene Checkliste zumindest im Hinterkopf zu haben und so nicht Gefahr zu laufen, etwas Wichtiges zu übersehen und so später die hinterlegte Kaution nicht vollständig oder sogar gar nicht zurück zu erhalten.
Vorsicht ist angebracht, wenn man mit einer einfachen Liste allein gelassen wird und die Übernahme quasi selbst machen muss.
Ein solcher Vercharterer hat entweder kein Interesse daran, sein Boot wieder heil zurück zu bekommen oder spekuliert darauf, das (ihm bekannte) Schäden übersehen werden. Du kannst sicher sein: Diese Schäden werden bei der Rückgabe von der Kaution einbehalten.
Daher gilt:
Alle (!) festgestellten Mängel gehören in das Übergabeprotokoll.
Auch wenn es etwas länger dauert: Mach die Übernahme gewissenhaft und konzentriere Dich dafür auf das Wichtige.
Du musst kein Erbsenzähler sein! Es interessiert keinen Vercharterer ob auf Deinem Boot „alle Tassen im Schrank“ stehen oder ob eine Gabel fehlt. Dort reicht eine kurze Blickkontrolle. Aber eine übersehene Delle in der Fussreling oder ein Kratzer im Rumpf können schnell teuer werden.
Lege auch Wert auf die Sicherheit. Damit meine ich nicht nur Schwimmwesten und Co.
Mach auch ruhig den Motorraum auf und schau Dir dieses Meisterwerk der Dieseltechnik genauer an. Einen (fast) kaputten Keilriemen, Ölverlust oder ein zugesetztes Schauglas im Kühlwasserfilter erkennst auch Du!
Last, but not least:
Vermerke die durchgeführte Übernahme mit Zustand und Aufälligkeiten im Logbuch.
Aber machen wir doch nun einfach mal, im Geiste, einen Rundlauf über und in eine typische Charteryacht.
Du krabbelst also aus dem Taxi und hast grade vom Vercharterer die Übergabeliste bekommen. Der Einweiser ist typischerweise noch auf einem der Nachbarboote beschäftigt, aber „Ihr könnt ja schon mal schauen“…
Du und Deine Crew kommt nun also an Bord und steht im Cockpit. Er riecht so schön nach Boot und Deine Crew möchte am liebsten sofort losdampfen.
Lade doch einfach einen oder zwei deiner Mitsegler auf einen Spaziergang über das Deck ein. Vier oder sechs Augen sehen mehr als zwei und so lässt sich beim Bewundern der Charteryacht auch gleich nachschauen ob irgendwo an Deck oder am Rumpf sichtbare Macken oder Schrammen sind. Beliebt sind auch eingedellte Fussrelings und verbogene Relingsstützen. Während man so über das Deck schlendert, kann man sich auch gleich vor den Mast stellen und den Mastfuss betrachten. Risse und den Mastfuss herum lassen vermuten, das der Mastfuss undicht ist und starken Belastungen evtl. nicht mehr gewachsen sein könnte.
Vielleicht gab es ja mal deftige (Patent-) Halsen oder ähnliche, stark auf das Material gehende Vorkommnisse?
Das verrät Dir ein genauerer Blick auf die Befestigungen am Grossbaum und am Lümmelbeschlag. Da sollten keine Macken zu sehen sein und der Beschlag sollte ordentlich befestigt sein.
Wenn deine Charteryacht Rollsegel hat, schau von unten nach oben in den Mast. Die Nut, in der das Gross verschwindet, darf sich nicht verwinden. Auch sollte der Mast nicht zu stark gegen Achtern gebogen sein. Sieht sportlich aus, führt aber dazu, das im entscheidenden Moment die Rollanlage klemmen wird, weil sich beim Einrollen evtl. Falten ins Gross legen, die dann in der Nut eine „Wurst“ bilden die sich dann verklemmt. Eklig!
Wenn wir schon dabei sind: Steht der Mast grade und sind die Wanten auf der Steuerbord und Backbordseite gleich stark gespannt?
Ein kurzer Blick unter die Wantenschoner zeigt uns ob Terminals ordentlich mit Splint befestigt sind und die Kontermuttern fest sitzen.
Auf unserem weiteren Weg nach vorn können wir noch beiläufig einen Blick auf die Relingsstützen werfen. Sind dort die Befestigungsbolzen mit einem Splint gesichert? Stehen keine Drähte hervor und lässt sich die Reling an dafür vorgesehenen Stellen öffnen?
Irgendwann ist das Charterboot dann mal zuende und wir stehen vorn auf dem Bug.
Eine prima Gelegenheit unser Grundeisen mal genauer anzusehen, oder?
Also Ankerkasten auf. Im Ankerkasten oder davor ist meist noch die elektrische Ankerwinsch zu finden. Schau Dir das Material um die Winsch gut an. Risse und Deformierungen lassen darauf schliessen, das mit dieser Winsch schon mal „recht ordentlich“ gewinscht wurde. Und das dabei Material kaputt gegangen ist. BTW: Wo ist der Handhebel und die Fernbedienung? Funktioniert das alles?
Der Anker selber sollte mit ausreichend Kette versorgt sein. Unter 50 Meter, in einigen Revieren wie der Südtürkei sogar 70 Meter, geht nicht!
Bei grösseren Boote, so ab 11 Meter, sollte mehr Kette im Kasten liegen. Die Kette muss mit einem Bändsel am Runpf befestigt sein. Du kriegst die Kette sonst im Notfall nicht schnell genug ab um z.B. Nachts einen unsicher gewordenen Ankerplatz schnellstmöglich zu verlassen.
Nachdem wir nun wieder auf dem Rückweg ins Cockpit sind, könnten wir doch unseren Mitseglern mal zeigen, wie viele tolle Segel unsere Yacht hat? Also raus mit den Tüchern!
Dabei genau drauf achten, wie die Rollmechanik zu bedienen ist und ob diese ausreichend leichtgängig ist. Beim Ein- und Ausrollen des Grosssegels dürfen sich keine (Längs-)Falten bilden. Diese werden irgendwann einmal zu einer Wulst die sich in der Nut des Mastes verklemmt. Dann viel Spass bei der Fehlerbehebung auf rauher See oder vor dem Hafen…
Beim Vorsegel auf die Rollanlage achten. Stimmt der Winkel in dem die Reffleine in den Fockroller geführt ist? Einige, wenige, Grad machen hier den Unterschied zwischen „schön einfach“ und „Mistding!“ aus. Läuft die Leine einwandfrei und lässt sie sich leicht bedienen ist alles okay!
Wenn die Segel nun schonmal draussen sind: Sind die Lieken okay? Nicht ausgerissen und ist der (meist) blaue UV-Schutzstreifen unbeschädigt? Können die Leinen (Jakobsleine etc.) bedient werden? Wenn das alles okay ist, können wir getrost wieder zurück ins Cockpit klettern um den Schampus des Einweisers entgegenzunehmen…
Aber noch nicht trinken 😉
Vorher steht noch die Besichtigung der Yacht von innen, b.z.w. des Cockpits an.
Das machen wir nach einer kurzen Pause, damit dieser Text hier nicht zu lang wird.
Schon bald kommt Teil 2 der Charteryacht – Übernahme mit dem Innenteil der Yacht.
Hej Uwe,
ich lese gerne in Deinen Texten und finde stets richtig gute Hinweise. Deine Hinweise auf die Mastnut und die Beschläge nehme ich in meine Checkliste auf. Da hätte man auch selber drauf kommen können – bin ich aber nicht.
Und was das Ankern anbelangt war der Link richtig erhellend, in dem die Belastungen auf den Anker mal mathematisch dargestellt worden sind. Das habe ich schon immer gefühlt, aber eben nie so sauber dargestellt bekommen.
Danke
Rainer