Segeln in Brandenburg. Mit dem Holzbootcharter.
Vor einigen Monaten berichtete ich schon einmal über das Angebot vom Holzbootcharter im deutschen Brandenburg und war seit dem ganz angetan von der Idee, dieses fazinierend erscheinende Binnenrevier mit einem fast schon historischen Segelboot einmal selbst zu befahren.
Über Auffahrt (Christi Himmelfahrt / Vater- oder Herrentag) hat es nun endlich geklappt. Zu fünft konnten wir eine Reise unternehmen, die in ein Segelrevier führte, das ganz anders als das Gewohnte ist und gleichsam von Anfang an sehr vertraut erscheint.
Der Steg vom Holzbootcharter in Brandenburg
Hier nun der durchaus subjektive Törnbericht über vier schöne, tolle und erlebnisreiche Tage unter historischen Segeln auf der Brandenburgischen Havel und den dazugehörigen Havelseen.
Vor dem Spass auf dem Nass erwartet den von der Anreise geschlauchten Charterer auch im Binnenrevier erst einmal die Übergabe der gebuchten Charteryacht. Und die kann es bei einem historischen Segelboot ganz schön in sich haben.
Eins vorweg: Das Team von Holzbootcharter ist extrem freundlich, kulant und hilfsbereit und ich werde sicher noch einmal dort ein Boot chartern. Denn vier Tage sind für dieses tolle Revier eindeutig zu wenig. Liebes Team: Vielen Dank für Eure Geduld mit mir und meinen Wünschen…
Doch zurück zu Übergabe des Holzboots:
Wir hatten das älteste Boot im Stall vom Holzbootcharter gebucht, die „Urdis“, ein „grosser Jollenkreuzer“. Mit 7,90 Meter Länge und Baujahr 1935 ein echter Nostalgiker und Hingucker.
Nur halt: Wie ich feststellen musste, sollte man auf jeden Fall einen äusserst aufmerksamen und gründlichen Übernahme-Check machen und sich nicht auf die beim Check-In übergebene Checkliste verlassen.
Wir waren in diesem Jahr die ersten Charterer auf diesem Boot und so stellten sich leider Mängel heraus, die einen Charter der Urdis unmöglich machten: Im Winterlager hatte sich die Keep im (Holz-)Mast durch parallel verlaufende Längsrisse und eindringende Feuchtigkeit verengt, so dass es nicht mehr möglich war, das Grossegel zu setzen. Die Rollanlage der Fock war ebenfalls schwergängig und durch die Saisonbedingt geringe Liegezeit im Wasser nahm Urdis viel Feuchtigkeit durch den Rumpf auf.
Fazit: Nach einigem Hin- und Her bekam ich ein anderes Boot, die „Saro“, ein ebenfalls „grosser Jollenkreuzer“ mit einem Stahlrumpf und Baujahr 1959.
Die Übernahme der Saro lief am nächsten Morgen wie geschmiert und als erste „Amtshandlung“ wurde der Wimpel der Sailcom an der Backbordsaling gehisst:
Der Wimpel der Sailcom am Holzmast der Saro unterwegs auf der deutschen Havel.
Das Abenteuer Havelseen konnte beginnen.
Theoretisch wäre es möglich gewesen, von Brandenburg über die Havelwasserstrasse über den Wannsee bis in das Herz von Berlin zu fahren.
Aber wegen der grossen Entfernung, entschlossen wir uns, in der Nähe Brandenburgs zu bleiben und die Umliegenden Seen, so den Plauer See und die Beetzsee-Wasserstrasse zu erkunden und Berlin auf das nächste Mal zu vertagen. Stoff genug für drei Schöne und entdeckungsreiche Tage unter Segeln war auf jeden Fall geboten.
Der Plauersee, südlich von Brandenburg, empfing uns mit einer veritablen Gewitterfront und Starkwindböen. Eine gute Gelegenheit, unser neues Boot etwas besser kennenzulernen. Dummerweise ist der Plauersee und die mit ihm direkt verbundenen Seeteile ausserhalb des ausgetonnten Fahrwassers mitunter etwas untief, so das es (trotz angeblich nur 30 cm Tiefgang bei aufgeholtem Schwert) die eine oder andere leichte Grundberührung gab. Eine echte Seekarte gab es an Bord nicht, uns wurde auf entsprechende Nachfrage bei Übergabe ein Faltblatt des Tourismusverbandes als Seekarte ausgehändigt. Hmmm….
Unser Zuhause: Die Saro vom Holzbootcharter.
Nur, wieso überhaupt Grundberührungen? Diese Frage beschäftigte mich später am Steg des Campingplatzes Plauer See doch etwas.
Zumal selbst beim Einlaufen in die Box ein leichtes Kratzgeräusch zu vernehmen, das Schwert aber vollständig aufgeholt war!?
Ein selbstgebautes Lot gab die Antwort: Das Schwert war im aufgeholten Zustand nur zu gut 30% eingezogen und so verblieb ein Tiefgang von gut 1,20 Meter. Von wegen 30 cm….
Der Fehler war schnell behoben:
Jeweils beim Absenken des Schwertes übersprang das Schwertfall auf der Rolle ein paar Mal, so das sich jedesmal das Schot „verlängerte“ und man das Schwert deswegen nicht mehr komplett einholen konnte. Ein jeweiliges Aufwickeln von Hand im aufgeholten Zustand behob dieses Problem – Es gab dann auch keine Grundberührungen mehr. So einfach ist das.
Ganz im Gegensatz zum vom Vercharterer verordneten Aussenborder.
Ein Modell mit kurzem Schaft, das so knapp in das Wasser eintauchte, das die Kavitationsplatte nur ins Wasser tauchte, wenn die gesamte Crew im Cockpit stand. Kurz: Ein Bremsen in der Box, wenn jemand vorn auf dem Bug stand, scheiterte, weil der Propeller nicht vollständig im Wasser war und keinen Schub eintwickeln konnte. Und die Saro ist aus Stahl… Ein echter T-34, wenn einmal in Bewegung 😉
Deswegen hier nochmal: Ein wirklich gründlicher Check bei der Übernahme ist dringend anzuraten.
An die Eigenheiten gewöhnten wir uns schnell und so genossen wir den wirklich zauberhaften Plauersee. Eine echte „Herrentags-Party“ auf dem Campingplatz schloss den Abend ab und am nächsten Morgen wurde erstmal ausgiebig im angenehmen Westwind gesegelt.
Plau am See
Durch das flache Land und das schon fast nordische Licht spannte sich ein völlig ungewohnter Himmel über das Wasser und die umgebende Landschaft. Weite Natur, ein beständiger Westwind und keine spürbare Welle – Was will des Seglers Herz mehr?
Segeln auf den Brandenburger Seen
Mittags fuhren wir dann durch den Brandenburger Stadtkanal in den wunderschönen Beetzsee, aber nicht ohne vorher nochmals beim Chartersteg vorbeizuschauen und um einen vernünftigen Aussenborder anzuhalten. Das wirklich tolle und nette Team vom Holzbootcharter half auch hier schnell und unbürokratisch und so konnten wir kurze Zeit später in die Beetzsee-Wasserstrasse einfahren.
Der Beetzsee ist ein eiszeitlicher Rinnensee, der aus vier zusammenhängenden Teilseen besteht, die untereinander durch schmale, „Sträng“ genannte, Kanäle verbunden sind.
In einem Sträng auf dem Beetzsee
Der Beetzsee ist in seiner Gesamtheit ungefähr 25 Kilometer lang, aber nicht sonderlich breit und verläuft zunächst in nördlicher Richtung, im weiteren Verlauf dann eher nach Osten. An seinem Ufer gibt es ein paar kleinere Dörfer mit beschränkten Einkaufsmöglichkeiten, aber einer wirklich hervorragenden Fischküche. Sehr zu empfehlen ist hier die kleine Hafenbeiz „Fischerhütte“, direkt am „gelbe Welle“-Anleger des Örtchens Radewege am nördlichen Ende des grossen Beetzsees.
Die Fischerhütte in Radewege. Lecker.
Gelbe Welle Anleger gibt es nur im unteren, grossen Beetzsee. Die gelbe Welle signalisiert dem Wasserwanderer, das es dort Gästeplätze und eine Infrastruktur, wie z.B. WC und Dusche, gibt, die gegen Gebühr genutzt werden kann. Im Amtsdeutsch, und darin sind die Deutschen wirklich gut, heisst das dann: Wasserwanderrastplatz oder abgekürzt WWR. Deutsch ist eine schöne Sprache 😉
Wir hielten uns also von den Wasserwanderrastplätzen fern, da diese Campingplatzstimmung nicht wirklich unseren Zielen entsprach. Hier mal ein Foto von einem gelbe Welle Liegeplatz:
Gelbe Welle Beetzseeterassen. Halli-Galli bis in die späte Nacht.
Am Abend ist der Anlieger und vor allem die dahinter liegende Gaststätte proppevoll und der Lärm schallt bis spät in die Nacht über den See. Nichts für uns, wir suchten uns jeweils einen ruhigen Liegeplatz am Ufer an dem wir mit Heckanker und Landleine festmachten. Für die Einkäufe gab es in den Dörfern kleine Läden und frisch geernteten Spargel, den wir an Bord zubereiteten. Die Boote vom Holzbootcharter sind in der Küche äusserst komplett ausgerüstet. So verbrachten wir das Wochenende segelnd, badend und faulenzend auf dem Beetzsee. Eine wundervolle Zeit.
Romantisch ankern auf dem Beetzsee
Das man sich erheblich weiter im Norden befindet als in der Schweiz merkt man Abends am Dämmerungsverlauf. Um 23 Uhr sah das am obigen Ankerplatz noch so aus:
Einfach unglaublich….
Und als wäre es dem nicht genug, verabschiedete uns dieses tolle Segelrevier am letzten Abend mit einem Feuerwerk:
Für meinen Teil, bin ich mir sicher, das von den mehr als 3000 Kilometern (!) Wasserstrassen auf Seen, Flüssen und Kanälen allein im Nord-Ost Deutschen Binnensegelrevier, noch so einige von mir entdeckt werden wollen. Dieser kurze Törn in die Brandenburgische Wasserwelt hat definitiv Geschack auf weit mehr gemacht. Grade für Segler aus der Schweiz ist dieses Segelrevier einfach zu erreichen, sprachlich unproblematisch und doch so anders als die bei uns bekannten Reviere. Es gibt halt keine Berge in Brandenburg 😉 Aber dafür lecker Currywurst, weite Natur und freundliche Menschen.
Es muss nicht immer Hochsee sein.
Mehr Informationen gibt es u.a. auf den folgenden Internetportalen:
- Das blaue Paradies. Tolle touristische Infos rund um Wassersport in Brandenburg und Mecklenburg.
- Holzbootcharter.de – Vercharterer von historischen Segelbooten mit „Charakter“.
- Revierinfos vom Tourismusverband.
- Das gefahrene Segelrevier auf Panoramio. Viele Fotos und ein guter Überblick.
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wow klasse bilder! das klingt ja richtig nach abenteuer.